Volksmusik in Langenenslingen - aus der Geschichte des Musikvereins Langenenslingen
In den Tagen vom 26. bis 29. Juni 1987 feiert der Musikverein Langenenslingen mit der ganzen Gemeinde sein 65-jähriges Bestehen sowie das über 125jährige Bestehen der Volksmusik in Langenenslingen. Aus diesem Anlass wird dem Musikverein die vom Bundespräsidenten gestiftete Pro Musika Plakette verliehen.
Die Gründung des heutigen Musikvereins rührt aus dem Jahre 1921 und wird auch seit dieser Zeit in den Vereinsprotokollen festgehalten. Mit absoluter Sicherheit bestand aber weit früher eine Musikkapelle oder Musikergruppe oder wenn man will, eine Vereinigung. Volksmusik wurde aber mit Gewissheit seit mehr als 125 Jahren in Langenenslingen gepflegt.
Nachforschungen haben ergeben, dass nach mündlichen Überlieferungen Namen verschiedener Vorfahren noch bekannt und festgehalten werden konnten, die Klarinette oder Trompete bliesen, aber auch mit der Geige umgehen konnten. Das waren unter anderem ein gewisser Gustav Dossenberger, ein Josef Sauter und Friedrich Bold.
Ferner bestehen im Pfarrarchiv 2 Schriftstücke von 1853 und 1858. Aus diesen Schriftstücken geht hervor, dass eine damals bestehende Musikergruppe bei der Regierung in Sigmaringen um Erhöhung der Entlohnung nachsuchte, was mit einem Antwortschreiben bestätigt und genehmigt wurde. Diese Entlohnung wurde aber aller Wahrscheinlichkeit nach nur für die musikalische Begleitung der alljährlich wiederkehrenden kirchlichen Anlässe vergütet. Desweiteren beweist ein Notenbündel aus dem Jahre 1858 das Dasein einiger Blasmusiker. Bei den Noten handelt es sich um eine lateinische Figuralmesse für Bläser und Kirchenchor, bearbeitet von dem damals ansässigen Lehrer Knaupp.
In den Jahren nach dem österreichisch-preußischen Krieg, genau festgehalten im Jahre 1871, zog der Musiker Caspar Sauter nach der Quittierung seines Militärdienstes von Wien nach Langenenslingen. Er fand hier bereits eine Musikergruppe vor. Die Musiker u.a. Stephan Spies, Michael Schiller, Josef Lehmann, Johann Herter und Hans Lehmann akzeptierten Sauter, sicherlich aufgrund seines musikalischen Könnens, als ihren Sprecher und Dirigenten. Gespielt wurde zu sämtlichen Anlässen, hauptsächlich aber an kirchlichen Festtagen sowie Hochzeitsfesten und Tanzveranstaltungen. Die Musik die gespielt wurde, war den Anlässen angepasst. Wurde die Veranstaltung etwas umfangreicher aufgezogen, wurden Musikkameraden aus der näheren Umgebung, aus den Nachbargemeinden, hinzugezogen.
Nach dreijähriger Bauzeit wurde im Jahre 1893 die neue Kirche St. Konrad eingeweiht. Die Zeitung schrieb von einem herrlichen Sommertag. Der Weckruf in der Frühe, dann später die kirchliche Weihe, festliche Bläserstücke und Konzertmusik, alles paßte zusammen und wurde auch für die kleine Kapelle ein wahrer Erfolg. Die Musikergruppe ward zwischenzeitlich an Zahl umfangreicher. Unter anderem spielte auch bereits der 9 jährige Sohn des Dirigenten, der Junge Kaspar Sauter mit. Die Gruppe zählte um die Jahrhundertwende etwa 12 Mann. Die Jahre bis zum Weltkrieg 1914, die sogenannten goldenen Jahre – woher dieser Ausdruck stammt ist nicht bekannt, trotzdem gab es Armut genug – diese Jahre brachten in dieser Kapelle keine wesentlichen Veränderungen. Als herauszustellende Veranstaltung in Langenenslingen war es die Fahnenweihe des Liederkranzes Langenenslingen im Jahre 1912. Das Festprogramm sieht auch für die Musikkapelle einen Teil der Mitwirkung vor. Mit Ausbruch des Krieges 1914 wurden die meisten Männer eingezogen. Das Musizieren kam vollkommen zum Erliegen. Einige Musikkameraden mussten ihr Leben für ihr Vaterland opfern. Nach Ende des 1.Weltkrieges und nach den Wirren der darauffolgenden Jahre, als man allmählich zu geordneten Verhältnissen zurückkehrte, fanden sich auch wieder Volksmusikliebhaber zusammen.
Von den alten Musikern war bereits keiner mehr zurückgeblieben. Gefallen, gestorben oder verzogen, das war der Tribut den der Krieg und die nachfolgende Zeit von unserer Gemeinde gefordert hat. Junge Musikanten, es waren dies Josef Gulde, Karl und Fritz Gulde, Johann Reuter I, Johann Lehmann, Fidel Anliker und Leo Ruprecht schlossen sich unter der Regie des damaligen Oberlandjägers E. Maaß zu dem heute bestehenden Musikverein zusammen.
An einem Herbsttag im Jahre 1921 wurde die Sache beschlossen und ins Leben gerufen. Das Vereinsprotokoll hält dies als reguläre Gründung des Musikvereins Langenenslingen fest. Interesse ist vorhanden. Leider kann aber von den Interessenten kaum einer spielen. Nun, in Oberlandjäger Maaß haben sie einen Mann gefunden, der ihnen derlei beibringt. Als ehemaliger Berufsmusiker ist es für ihn ein leichtes, aus seinen Schülern gute Musiker zu machen. Den ersten öffentlichen Auftritt haben sie am Fronleichnamsfest des darauffolgenden Jahres. Unverhofft wird Dirigent Oberlandjäger Maaß 1922 nach Beuron Kreis Sigmaringen versetzt. An seine Stelle tritt Karl Gulde das Dirigentenamt an.
Die erste Generalversammlung am 14. März 1926 wählt Karl Schneider als ersten Vorstand, Josef Gulde und Johann Reuter I als Schriftführer und Kassier. Die darauffolgenden Jahre wechseln laufend mit ein bis zwei Jahreskonzerten, Theateraufführungen und kirchlichen Anlässen ab. Begeisterung ist genügend vorhanden und die Kapelle vergrößert sich fortwährend.
In den Jahren 1930 und 1931 besucht der Musikverein die Musikfeste in Burladingen, Neufra/Hohenz. und Andelfingen. Veranstaltet 1932 selbst sein 10jähriges Gründungsfest verbunden mit Preisspielen und erreicht aufgrund von Begeisterung und Ehrgeiz ein angemessenes Niveau. Dieser Stand wurde erreicht durch Idealismus und festes Zusammenhalten Musik liebender junger Männer, vor allem aber durch solide Arbeit des Dirigenten Karl Gulde und nach seiner Heirat und Wegzug aus Langenenslingen, seines Bruders Fritz Gulde.
Die nun angebrochene Epoche von 1933 bestimmt immer deutlicher die Richtung, die die Musikkapelle einzuschlagen hat. Aufgrund des guten Leistungsstandes wird die Musikkapelle zur SA-Kapelle erklärt. Traurig und niederschmetternd wirkt sich die Zeit des 2. Weltkrieges auf unsere Musikkapelle aus. Wie überall wurde der größte Teil der aktiven Musikkameraden zum Wehrdienst berufen. Hoffnungsvoll und zuversichtlich verabschiedete sich einer nach dem anderen und schon bald treffen die ersten Schicksalsnachrichten ein, „gefallen“ oder „vermisst“. Der Musikverein hat 3 Gefallene, Bernhard Käppeler, Johann Knaupp, Josef Göggel und 3 Vermisste, Karl Bold, Karl Böhmer II, Paul Sauter zu beklagen. Nach dem Zusammenbruch 1945 standen die noch lebenden und zurückgebliebenen Musiker mit tiefer Sorge, aber nicht ganz ohne Hoffnung vor einer schwierigen Aufgabe. Am 27. September 1946 schlossen sich die zwischenzeitlich aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten Musiker und Musikfreunde erneut zusammen. Unter der Obhut von Johann Reuter I als Vorstand und Kaspar Sauter als Dirigent werden erste Wiederanfänge vollzogen. Bereits am 6. Oktober 1946 wurden zum Erntedankfest einige Musikstücke und am 20. Oktober 1946 zum Tanz aufgespielt.
Das Alliiertengesetz in den Jahren nach dem Zusammenbruch brachte für die Wiederbelebung der Vereinstätigkeit, auch für bestehende Vereine, manche Einschränkung und bedurfte für manches Vorhaben die vorherige Genehmigung durch die Besatzungsmacht. Im Spätherbst 1946 kehrte Fritz Gulde aus der Gefangenschaft zurück. Er übernahm wieder das Dirigentenamt und führte es gewissenhaft und sorgfältig bis zum 24. Mai 1951. Durch einen tragischen Unfall wurde er jäh aus dem Leben gerissen. Seine 23jährige Dirigententätigkeit wurde damit von höherer Warte aus beendet. Die Nachfolge tritt sein Sohn, der erst siebzehnjährige Rudolf an. Er baut die Kapelle, die sich in den Jahren 1953–54 regeneriert hat, erneut auf. Mit dem Umbruch der Kapelle hat auch Bürgermeister Walter Wachter den Vereinsvorsitz übernommen. Mit frischer Energie wird auf ein eigenes Musikfest hingearbeitet. Als müsste vieles nachgeholt werden für die schreckliche Zeit des vergangenen Krieges, besteht der Drang Feste zu veranstalten und zu besuchen. So hat auch der Musikverein Langenenslingen an Musikfesten teilgenommen und sich für das Preisspielen vorbereitet und der Kritik maßgeblicher Preisrichter gestellt.
Die Musikfeste in Andelfingen und Herbertingen, die Musikertreffen in Ringingen, Neufra, Scheer und Bingen sind den älteren Musikern noch heute in guter Erinnerung. Diesen folgte das Landesmusikfest in Sigmaringen 1955, die Kreismusikfeste in Inzigkofen 1956, in Straßberg und Zwiefalten 1957, jeweils mit Wertungsspiel. Der Termin für das 9. Kreismusikfest, verbunden mit dem Jubiläum „100 Jahre Volksmusik in Langenenslingen“ wird auf 31. Mai, 1. und 2. Juni 1958 festgelegt. Vorbereitungsarbeiten werden nicht allein vom Musikverein, sondern von der ganzen Gemeinde durchgeführt. So bringt das noch heute in guter Erinnerung stehende große Kreismusikfest 1958 einen wahren Triumph für die Volksmusik in Langenenslingen. Aus diesem Anlass wird dem Musikverein Langenenslingen vom damals bestehenden Deutschen Volksmusikerbund die goldene Ehrenmedaille verliehen.
obere Reihe v.l.n.r. Thomas Scham, Peter Zuchotzki,Rudolf Selg, Emil Böhmer, Anton Scham, Hans Weinmann, Paul Böhmer
mittlere Reihe v.l.n.r. Herbert Selg, Hans Wachter, Gebhard Geiger, Dirigent Rudolf Gulde, Vorstand Walter Wachter, Walter Haberbosch, Franz Sauter, Günther Rieger, Xaver Späth
untere Reihe v.l.n.r. Heinz Braekau, Josef Siebenrock, Alfred Haberbosch, Karl Nagel, Alfred Löffler, Georg Haberbosch, Erich Reuter, Gerhard Emhart, Lothar Braekau, Wilhelm Sauter
Zu dieser Zeit hatte sich die Musikkapelle, getragen von Fleiß und Erfolg, einen nicht unerheblichen Leistungsstand angeeignet. Bei den Musikfesten in Jungingen 1958, in Hohentengen 1959 und Mägerkingen 1961 wurde in der Oberstufe musiziert und sich dem Preisgericht zur Beurteilung gestellt. Im Mai 1965 legte Dirigent Rudolf Gulde das Amt des Dirigenten nieder. Als Nachfolger wurde Paul Böhmer zum neuen Dirigent berufen. Anlässlich der Generalversammlung im März 1966 gab Bürgermeister Walter Wachter die Verantwortung, die er um den Musikverein Langenenslingen in den vergangenen 13 Jahren als Vereinsvorstand hatte, ab. Die Generalversammlung ernannte ihn zum Ehrenvorstand. Als sein Nachfolger wurde der bisherige Kassier Gerhard Emhart berufen.
Mitte der Sechziger Jahre zeichnet sich immer mehr der Trend zu kleineren Vereinsfesten ab. Grund hierfür ist wohl die Möglichkeit zu nützen, die Vereinsfinanzen auf diese Art zu verbessern und zu stabilisieren. So veranstaltet der Musikverein seit Jahren wieder erstmals ein Gartenfest, dem jährlich ein weiteres folgen soll.
Unter der Leitung von Dirigent Paul Böhmer werden die Kreismusikfeste in Gammertingen 1967, Feldhausen 1968, Unlingen 1969 und Bingen 1970 besucht und Kritikspiel durchgeführt.
Für die Kapelle werden Jungmusiker in Gruppen als Vereinsnachwuchs ausgebildet. Auch werden unter dem emsigen Vereinsvorsitzenden Emhart im Jahre 1975 freundschaftliche Bande mit dem Musikverein Hochwandfreude Bischofsdhron im Hunsrück geknüpft, die noch heute von Bestand sind.
Im Februar 1978 gibt Dirigent Paul Böhmer zum Bedauern aller seinen Dirigentenstab ab. Zum neuen Dirigenten wird Walter Haberbosch, der bisher bereits die Jungmusiker betreute, ausgewählt. Er steht der Musikkapelle bis heute mit Erfolg vor. Auf Wunsch von Dirigent Haberbosch wurde in der Zeit von Januar bis April 1980 als Gastdirigent Musikdirektor Hans Abele gewonnen. Herr Abele schloss seine Probenarbeit mit dem Frühjahrskonzert ab.
Nach 16 jähriger Amtszeit als Vereinsvorsitzender gibt Gerhard Emhart anlässlich der Generalversammlung am 19. März 1982 den Vereinsvorsitz in jüngere Hände. Musikkamerad Anton Scham tritt seine Nachfolge als 1. Vorsitzender an. Seine vorzügliche Vereinsarbeit lässt nichts zu wünschen übrig. In seiner 3jährigen Vorstandszeit werden die obligatorischen Vereinsausflüge abgewickelt, fallen die Veranstaltungen wie Garten- oder Weiherfeste und das große Musikertreffen anlässlich des Jubiläums 125 Jahre Volksmusik in Langenenslingen vom 3. bis 5. Juli 1987. Ebenso wird nach wie vor die Jugendarbeit forciert. Unter seiner Repräsentanz führt die junge Musikantin Margit Möhrle die Schubegründete Ablehnung, sich anlässlich der Jahreshauptversammlung im Januar 1985 nicht mehr zur Wahl zu stellen. Zur neuen Vereinsvorsitzenden wird Musikkameradin Margit Möhrle gewählt. Die überaus liebenswerte und junge Kollegin nimmt dieses Amt sehr ernst und die Aktiven des Musikvereins sind sehr froh, in ihr eine so qualifizierte Persönlichkeit gefunden zu haben. Sie plant und führt einen erneuten Jahresausflug nach Bischofsdhron durch. Ebenso fand sie auch Zeit, sich auf dem Gebiet der Volksmusik weiterzubilden, das ihr bei der Ausbildung unserer Jugendlichen sehr hilfreich zur Seite steht. Sicherlich im Hinblick auf unsere Jubiläumsveranstaltung wählte die Generalversammlung im Februar1987 Konrad Miller zum Vereinsvorsitzenden. Frau Margit Möhrle obliegt weiterhin die Ausbildung der Jugendlichen. Durch die musikalische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen erfüllt der Verein eine hohe Aufgabe. Er weckt damit nicht nur die Freude an der Volksmusik, sondern bietet auch eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Nach Absolvieren der Ausbildung an den Instrumenten werden die Jugendlichen allmählich in die Kapelle integriert. Durch diese kontinuierliche Aufbauarbeit konnte der Verein die Zahl seiner Aktiven ständig verbessern und zählt heute 44 Musiker. So ist auch heute noch die Musikkapelle in unserer Heimatgemeinde ein wahrer Kulturträger, die das Kulturgut „Volksmusik“ über Jahrzehnte erhalten hat und in die Zukunft fortträgt. Die bei kirchlichen wie weltlichen Veranstaltungen wesentlich zum Gelingen beiträgt und die dem Menschen ein Leben lang, von Geburt bis zum Tod ein edler Begleiter sein will.
obere Reihe v.l.n.r: Bernd Kresser, Franz Hahn, Robert Stehle, Vorstand Konrad Miller, Peter Siebenrock, Josef Böhmer, Edgar Scham, Robert Haberbosch
zweite Reihe: Jürgen Gulde, Silvia Selg, Heike Gulde, Barbara Böhmer, Bianca Rettich, Meike Polm, Wibke Polm, Silke Schaut, Raphaela Späth, Martina Schiller, Nicole Kresser, Rudi Gulde
dritte Reihe: Margit Möhrle, Ute Gulde, Patricia Mayer, Lothar Braekau, Dirigent Walter Haberbosch, Hermann Schwarz, Anja Siebenrock, Claudia Haberbosch, Carmen Otto, Hermann Kornwachs
untere Reihe: Karl-Emil Sauter, Dietmar Rieger, Franz Schwarz, Josef Siebenrock, Alfred Löffler sen., Gerhard Emhart, Bernhard Blum, Hans Weinmann, Hans Wachter, Alfred Löffler jun.
Text von Lothar Braekau